Gleichberechtigter Zugang zum Kita-Platz auch für Kinder mit Behinderungen im Sinne der UN-BRK

Inklusion

An das Hessische Ministerium für Soziales und Integration

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns an Sie, weil die Probleme einen Kita-Platz für ein Kind mit Behinderungen zu erhalten, sich zunehmend verschärfen. Laut den Vorgaben in Hessen sollen Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam in den Kindergarten gehen. Für Kinder mit Behinderungen steht ein Integrationsplatz zur Verfügung, der zum einen aus einer Reduktion der Gruppengröße und zum anderen aus zusätzlichen Fachkraftstunden besteht. Unsere Kinder mit Behinderungen finden jedoch aus den verschiedensten Gründen oft keinen Platz in einer Kita oder der bestehende Platz wird ihnen aufgrund ihrer Behinderung aufgekündigt:

  • die Einrichtung wird von einem kleinen und/oder freien Träger geleitet, der die Umsetzung der Integrationsmaßnahmen nach dem KiföG nicht leisten kann;
  • es gibt ohnehin zu wenige Kita-Plätze in der Kommune und die freien Plätze werden dann nach einem intransparenten System über Warteliste verteilt, bei dem das Kind mit Behinderungen nicht berücksichtigt wird;
  • es wird ein regulärer Kita-Platz gewährt, doch das Kind dann die Kita nicht besuchen, weil es zu lange dauert, bis die Maßnahmenpauschale nach dem KiföG bewilligt wurde. Beim Antragsverfahren in den Landkreisen sitzen die Eltern zudem oft zwischen allen Stühlen, die Kommunen/Träger verweisen auf den Kreis. Keine Seite will den Antrag bearbeiten, bevor nicht die andere eine Zusage gemacht hat;
  • die Maßnahmenpauschale wird zwar bewilligt, sie ist aber entweder zu gering und hilft damit dem Kind nicht (die Kita geht davon aus, dass die Pauschale der gesamten Kita zugute kommt, dem betroffenen Kind wir die notwendige individuelle Hilfe dann aber versagt) oder es findet sich keine Fachkraft für diese Maßnahme;
  • reicht die Unterstützung durch die Pauschale des KiföG insbesondere bei Kindern mit schweren oder komplexen Behinderungen nicht aus, dann greift die Eingliederungshilfe. Dies verweigern die Träger der Eingliederungshilfe jedoch oft und verweisen zurück aufs KiföG, so dass das Kind keine 1:1 Betreuung erhält;
  • für Kinder mit Behinderungen steht höchstens ein Halbtagsplatz zur Verfügung. Nur aufgrund ihrer Behinderung dürfen sie nicht länger bleiben, obwohl doch gerade diese Kinder oft eine intensivere Betreuung und Vorbereitung auf den Übergang in die Schule benötigen;
  • ganz besonders schwierig ist die Situation für Kinder mit Behinderungen, deren Eltern wenig oder gar nicht Deutsch sprechen. Diese erhalten oft gar nicht erst einen Kita-Platz, da sie diesen auch nicht einklagen können;
  • Bei autistischen Kindern wird der Kita-Platz vorzeitig gekündigt, weil die Kita unter den derzeitigen Bedingungen die Betreuung nicht leisten kann.

Die Familienhelferin einer bei einer Familie, deren jüngster Sohn (geboren Juni 2015) frühkindlichen Autismus hat, schrieb: „Bislang hat der Junge keinen Kitaplatz, keine Frühförderung und Therapie bekommen. Ich und mein Kollege sind ratlos, was die Kitas betrifft, da schon über 60 Kitas angeschrieben, angerufen wurden. Es wird immer gesagt, dass kein Platz frei wäre.“ Nun musste wieder einmal eine Familie in Hessen für ihr Kind mit Behinderung den Kita-Platz einklagen. Die Richter haben per Eilrechtsbeschluss entschieden, dass:

  • sich aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ein Rechtsanspruch auf den Besuch einer Kindertageseinrichtung ergibt;
  • der Anordnungsgrund gerade deshalb besteht, weil die Nichterfüllung des unaufschiebbaren Anspruchs des Kindes auf frühkindliche Förderung in einer Kita irreversibel ist (vgl. auch sächs. OVG, Beschluss vom 7.6.2017, AZ 4 B 100/17 sowie VGH BW vom 18.7.2018 AZ 12 S 643/18);
  • „in Hessen keine landesrechtlichen Regelungen existieren, vergleichbar mit den Kinderförderungsgesetzen anderer Bundesländer“.

Wir empfinden diese Vorgehensweise als zutiefst diskriminierend und sehen als Ursache die aktuell geltenden Regelungen des KiföG bzw. fehlende Regelungen darüber hinaus. Gerne möchten wir mit Ihnen ein Gespräch dazu führen, wie wir hier eine gute Lösung für die betroffenen Kinder erreichen können. Wir bitten Sie um einen Terminvorschlag. Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dorothea Terpitz

  1. Vorsitzende Gemeinsam leben Hessen e.V.

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